10. Oktober 2022 – Die international ausgerichteten Branchen machen beinahe 60% des Anstiegs des Westschweizer BIP zwischen 2001 und 2021 aus. Entsprechend waren nahezu zwei Drittel des Wachstums der offenen Wirtschaft zu verdanken, wie aus der 15. Studie zum Westschweizer BIP hervorgeht, die von den sechs Westschweizer Kantonalbanken gemeinsam mit dem CREA-Institut der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften (HEC) der Universität Lausanne und dem Forum des 100 der Tageszeitung Le Temps veröffentlicht wird.
Schematisch lässt sich die Wirtschaft in drei Kategorien unterteilen: Die erste Kategorie besteht aus den auf internationale Kunden ausgerichteten Branchen, die empfindlich auf die weltweite Konjunktur reagieren oder von den Finanzmärkten abhängig sind, die zweite umfasst Aktivitäten, die von der Binnenkonjunktur beeinflusst werden, und die dritte betrifft wenig konjunkturempfindliche Bereiche.
Die international ausgerichteten Branchen machen 2021 mit 53,7% etwas mehr als die Hälfte des Westschweizer BIP aus. Dieser Anteil liegt leicht unter dem gesamtschweizerischen Mittel (56,9%), in dem sich namentlich der gewichtige Beitrag der Basler Pharmaindustrie niederschlägt, aber über dem Durchschnitt in der Eurozone (48,8%). Die Wertschöpfung dieser Branchen stieg zwischen 2001 und 2021 in der Romandie um 56,4% (Gesamtschweiz: +51,0%), verglichen mit 28,2% in der Eurozone.
Allerdings liegt nicht nur die Westschweiz gut im Rennen. Auch die Länder im Osten und im Norden der Europäischen Union (EU) haben eine dynamische Wirtschaftstätigkeit vorzuweisen: Ihr BIP-Wachstum von 88,1% respektive 60,2% zwischen 2001 und 2021 ist hauptsächlich den international ausgerichteten Aktivitäten zuzuschreiben.
Im Vergleich dazu liegen Westeuropa mit einem BIP-Wachstum von 25,4% (zwischen 2001 und 2021) und Südeuropa (+9,2%) zurück. Während einige Länder wie Irland oder Luxemburg zu den offenen Volkswirtschaften mit hohen Wachstumsraten zählen, erweisen sich andere, wie beispielsweise die grossen Länder Spanien, Frankreich, Italien und in geringerem Masse auch Deutschland, als weniger dynamisch als der europäische Durchschnitt.
Die Binnenwirtschaft schafft mehr neue Stellen
Neben den international ausgerichteten Branchen, die zwischen 2001 und 2021 beinahe 60% des Wachstums in der Westschweiz ausmachten, sind jedoch auch die Aktivitäten, die von den K onjunkturzyklen der Binnenwirtschaft beeinflusst werden, und die wenig konjunkturempfindlichen Bereiche zu beachten, die 40% des Wachstums beisteuern. Da sie Schwankungen weniger stark ausgesetzt sind, stellen sie einen wertvollen Stabilitätsfaktor für die Westschweizer Wirtschaft dar.
Zudem schaffen die auf die Binnenwirtschaft ausgerichteten Branchen mehr neue Stellen. Sie machen fast 60% der Arbeitsplätze in der Region aus und 85% der zwischen 2001 und 2021 neu geschaffenen Stellen, namentlich im Baugewerbe, bei den Unternehmensleistungen, im Immobiliengewerbe sowie im Gesundheitswesen, im sozialmedizinischen Bereich, im Bildungswesen und in der öffentlichen Verwaltung.
Wolken am Horizont
Die offene Wirtschaft der Romandie – und der Gesamtschweiz – steht auf dem Prüfstand. Die seit zehn Jahren zunehmenden protektionistischen und geopolitischen Spannungen sowie die Störung der Lieferketten könnten den Beginn einer Fragmentierung der Weltwirtschaft signalisieren. Vor allem aber sind die Beziehungen zum grossen Nachbarn, der EU, sehr angespannt und die Lage hat sich durch den Abbruch der Verhandlungen über einen Rahmenvertrag zugespitzt. Dies ist unter anderem für die Forschung und das Bildungswesen problematisch.
Wichtige Wirtschaftskennzahl
Das BIP ist die Kennzahl, die am häufigsten zur Messung der Wirtschaftsleistung eines Landes oder einer Region herangezogen wird. Anhand dieses wichtigen Indikators ist es möglich, die Entwicklung im Zeitverlauf zu analysieren und Vergleiche zwischen den Regionen anzustellen. Mit der Publikation von BIP-Prognosen erhalten die Entscheidungsträger von Privatwirtschaft und Politik zudem ein wertvolles Instrument für die Entscheidungsfindung und Projektdurchführung.
In Zusammenarbeit mit dem Forum des 100 publizieren die Kantonalbanken der sechs Westschweizer Kantone seit 2008 alljährlich das Westschweizer BIP mit Daten zu den Vorjahren und Prognosen für das laufende und das kommende Jahr. Das CREA-Institut der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften (HEC) an der Universität Lausanne führt die Berechnungen mittels einer transparenten Methode durch. Die Ergebnisse werden auch am 18. Forum des 100 am 11. Oktober 2022 in Lausanne präsentiert.