26 Juni 2025
Wallis

VRT, ein Abenteuer auf der Überholspur

Bertrand Crittin Von Bertrand Crittin
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«Mir lag vor allem das Fortbestehen von VRT am Herzen»

«Wenn ich jetzt gefragt würde, würde ich den Posten des CEO wieder annehmen. Es war eine verrückte, ja unbeschreibliche Erfahrung. So aufreibend es auch manchmal war, so bereichernd war es.» Aurore Mauris hat sich ein wenig zurückgezogen, aber ihre Augen strahlen immer noch, wenn sie über den Verein «Valais-Wallis Racing Team» (VRT) spricht, dem sie von Mai 2024 bis Mai 2025 vorstand. Sie war selbst Studentin an der Hochschule für Ingenieurwesen (Haute Ecole d'Ingénierie - HEI) in Sitten und leitete rund 40 Kollegen und Kolleginnen, die ein gemeinsames Ziel verfolgten: die Entwicklung eines Walliser Elektro-Rennwagens, der auf Rennstrecken fahren, anspruchsvolle technische Standards erfüllen und bei Formula Student-Rennen eine gute Figur machen sollte (siehe Infokästchen).

Im Mai, anlässlich der Präsentation von Alpinea, dem dritten Auto des VRT-Teams, übergab Aurore Mauris die Leitung an ihren Nachfolger Alessio Ciardo. Die aus Evolène stammende Studentin steht kurz vor dem Abschluss ihres Bachelorstudiums in Industriesystemtechnik an der HEI. Sie zieht sich langsam aus dem Projekt zurück, ist aber jederzeit bereit, bei Bedarf mitzuhelfen. Sie hat sich bereit erklärt, ihre emotionalen Erlebnisse als CEO auf den digitalen Medien der Walliser Kantonalbank (WKB) zu teilen, die seit Beginn dieser Geschichte im Jahr 2023 Hauptsponsorin von VRT ist.

Eine fortwährende Investition

Wer VRT beitritt, tut dies eher aus Freundschaft als aus Ehrgeiz. Wenn dich deine Kumpels fragen, ob du dich einem motivierten Team anschliessen möchtest, um den ersten elektrischen Einsitzer aus dem Wallis zu bauen, zögerst du nicht lange. Das Projekt macht Spass, doch man lässt sich auch auf das Spiel ein, engagiert sich, will die Ziele erreichen, setzt sich selbst unter Druck und zählt seine Stunden nicht. Denn das Leben der Studierenden der HES-SO besteht vor allem aus Kursen, Wiederholungen und Prüfungen. VRT ist gleichbedeutend mit Freiwilligenarbeit. «Man weiss, dass man sich auf ein Abenteuer einlässt, aber nicht, wie lange es dauern wird, bis man ein Auto hat, das fährt», lächelt Aurore Mauris. Aber man muss schon mit etwa 30.000 Arbeitsstunden rechnen, bis ein Auto fertiggestellt ist.

Es war eine verrückte, ja unbeschreibliche Erfahrung. So aufreibend es auch manchmal war, so bereichernd war es.

Vorsitzende von VRT, von Mai 2024 bis Mai 2025

Aurore hat das alles von innen heraus erlebt, diese Leidenschaft, die einen nach und nach erfasst, während das Projekt Gestalt annimmt. Sie war in der ersten Saison dabei und half bei der Konzipierung von All X One. Später kümmerte sie sich um die Herstellung des Fahrgestells von Bella Lui, dem zweiten VRT-Boliden. Trotz der Befürchtungen, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, wird zu diesen nachgewiesenen Fachkompetenzen eine weitere Verantwortung hinzukommen, nämlich die des CEO von VRT und damit die Aufgabe, die Entwicklung von Alpinea zu leiten. Der Übergang zu Théo Jacquemettaz, dem ersten Vorsitzenden und Gründungsmitglied des Vereins, erfolgte reibungslos. «Er hat mir viel Freiheit gelassen, was mich übrigens ein wenig beunruhigt hat. Ich konnte alles umsetzen, was ich wollte. Er war aber immer da, wenn ich einen Rat brauchte. Mir lag vor allem das Fortbestehen von VRT am Herzen und ich wollte meine Freunde, die das Projekt ins Leben gerufen hatten, nicht enttäuschen», erzählt Aurore.

Die HEI fordert Bugatti und Porsche heraus

Wer ein Walliser Elektroauto baut, um sich auf den europäischen Formel-1-Rennstrecken mit legendären Namen wie Bugatti und Porsche zu messen, muss wohl ein bisschen verrückt und entrückt sein. Man muss schon ziemlich überzeugend sein, um die Hochschule für Ingenieurwesen (HEI) in Sitten und Sponsoren wie die Walliser Kantonalbank (WKB) mit ins Boot zu holen. Im Frühjahr 2022 gründeten Studierende der HEI den Verein «Valais-Wallis Racing Team» (VRT). Innerhalb eines Jahres - einschliesslich einiger schlafloser Nächte, tausender Arbeitsstunden und viel Herzblut - konzipierten rund 30 Freiwillige ihr Fahrzeug und nahmen am Formula-Student-Rennen teil. Das Abenteuer ging los und dauert bis heute an, nicht ohne einen gewissen Stolz. «VRT vermittelt ein junges und lebendiges Image. Es werden die Kompetenzen hervorgehoben, für welche die HEI steht. Bei der Gründung von VRT war die Unterstützung der Schule von entscheidender Bedeutung. Sie war dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen», erklärt Aurore Mauris, die diese menschlich und technologisch bereichernde Erfahrung machen konnte, zunächst im operativen Team als Maschinenbauingenieurin und Designerin des Fahrgestells, dann als CEO.

Mein kleines Unternehmen

In der Rolle des Big Boss hat sich Aurore Mauris eine Regel auferlegt: Hände weg von der Technik. Sie legte ihre Ingenieurskleidung ab und schlüpfte in die einer Projekt- und Personalverantwortlichen. «Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass das gesamte Ökosystem des Vereins funktioniert und dass alle Bereiche - Technik, Finanzen, Sponsoring, Marketing - gut zusammenarbeiten. Die Verantwortung und die mentale Belastung sind gewaltig. VRT schwirrt ständg in meinem Hinterkopf herum. Ein Auto zu haben, das fährt, ist das, was am Ende zählt.»

Mir lag vor allem das Fortbestehen von VRT am Herzen und ich wollte meine Freunde, die das Projekt ins Leben gerufen hatten, nicht enttäuschen.

Vorsitzende von VRT, von Mai 2024 bis Mai 2025

In einem solchen Projekt ist der Wettbewerbsgedanke durchaus da, aber es vereint auch andere Werte. Das Umweltbewusstsein ist einer davon. In der heutigen Zeit macht der Bau eines Elektroautos vollkommen Sinn, ganz besonders im Wallis. VRT ist ein ideales Übungsfeld für die angehenden Ingenieure und Ingenieurinnen. Das Verständnis für andere ist ein weiterer. Denn wenn es um wirtschaftliche Aspekte geht, arbeiten die Studierenden der HEI mit ihren Kollegen und Kolleginnen von der Hochschule für Wirtschaft (Haute Ecole de Gestion - HEG) in Siders zusammen. «Die Absolventen der beiden Schulen laufen sich nicht oft über den Weg. Unser Verein ermöglicht diese Zusammenarbeit, um andere Profile, andere Kompetenzen und andere Visionen kennenzulernen. Es entsteht eine Art Symbiose», erklärt Aurore Mauris. Die berufliche und persönliche Entwicklung ist ein dritter Kernpunkt. VRT funktioniert wie ein Kleinstunternehmen, das auch mit externen Firmen zusammenarbeitet. Seine Mitglieder erhalten einen Vorgeschmack auf ihr zukünftiges Arbeitsleben und erweitern ihre beruflichen Kenntnisse. Ein echter Pluspunkt im Lebenslauf. «Ich war positiv überrascht über die Fortschritte jedes einzelnen Mitglieds, mich eingeschlossen. Die berufliche und persönliche Entwicklung ist einzigartig.»

Das Abenteuer soll weitergehen

Aurore Mauris hat den Vorsitz von VRT zu einem entscheidenden Zeitpunkt übernommen. Das Gründungsteam beendete sein Studium und zog sich langsam aus dem Projekt zurück. Eine neue Generation von Studierenden kam hinzu. Für die dritte Saison mussten neue Mitglieder angeworben werden. Sie mussten davon überzeugt werden, sich mit Herzblut für die Sache einzusetzen. «Ich erinnere mich an die Anfänge von VRT. Es gab so viele Dinge, die man tun musste. Von der ganzen Aufregung wurde mir schwindelig. Ich hatte Angst, dass es an Stabilität fehlen würde. Genau das wollte ich als Vorsitzende erreichen. Ich musste ein Gleichgewicht finden zwischen Neuerungen, die unser Auto zuverlässiger und leistungsfähiger machen, sowie der Stabilität und dem Fortbestehen von VRT.»

Ich musste ein Gleichgewicht finden zwischen Neuerungen, die unser Auto zuverlässiger und leistungsfähiger machen, sowie der Stabilität und dem Fortbestehen von VRT.

Vorsitzende von VRT, von Mai 2024 bis Mai 2025

Eine Herausforderung, die heute erfolgreich abgeschlossen ist und Aurore Mauris stolz macht, auch wenn sie nicht ohne Schwierigkeiten verlief. Das Leben eines CEO ist kein langer ruhiger Fluss. Zu Beginn des Jahres 2025 verlor der Verein einen seiner Hauptsponsoren, den Gemeindeverband von Crans-Montana. Ein herber finanzieller Schlag, der VRT ins Wanken hätte bringen können, und eine schwierige Zeit für die Vorsitzende, die sich daran machte, Lösungen zu finden. «Die Budgets wurden im Team neu festgelegt und die Ausgaben auf ein Minimum reduziert.»

Alpinea ist nun bereit, diesen Sommer die anderen Boliden von Formula Student herauszufordern. Ohne ihre Rolle als Vorsitzende kann Aurore Mauris während der Rennen ein wenig Druck von sich nehmen. Ihre Mission ist beendet.

Team

40

Mitglieder sind im Verein «Valais-Wallis Racing Team» aktiv, der 2022 gegründet wurde.
Arbeitsstunden

30.000

Stunden benötigen die Studierenden, um einen Boliden wie Alpinea zu bauen.
Geschwindigkeit

120

km/h ist die Spitzengeschwindigkeit von Alpinea bei einem Gewicht von 245 kg und einer Leistung von 80 kW.
Erstes Rennen im Juli

Er wurde auf den Namen Alpinea getauft. Er ist der dritte 100% elektrische Rennwagen aus dem Wallis, der von den Studierenden des Vereins «Valais-Wallis Racing Team» (VRT) konzipiert wurde. Wie würden Sie den kleinen Bruder von Bella Lui und All X One beschreiben, der im Mai der Öffentlichkeit präsentiert wurde? «Ich würde sagen, dass es ein leichteres, leistungsfähigeres und zuverlässigeres Auto ist», sagt Aurore Mauris, die ehemalige Vorsitzende von VRT. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs war Alpinea noch nicht auf der Rennstrecke gefahren. Die ersten Tests werden im Juni stattfinden, doch die letzten Verbesserungen am Rennwagen müssen schnell vonstattengehen. Das erste Rennen findet vom 11. bis 16. Juli in Geschinen im Oberwallis statt.

VRT nimmt an internationalen Formula-Student-Rennen teil. Pro Jahr gibt es etwa 15 Rennen in ganz Europa, bei denen renommierte Schulen und Universitäten gegeneinander antreten. Im Februar haben die Studierenden der HES-SO Wallis die ersten Tech-Quiz bestanden. Nach Geschinen werden sie im August und September zu den Rennstrecken von Barcelona-Katalonien in Spanien, Hockenheim in Deutschland und Varano in Italien reisen, ohne einen garantierten Startplatz zu haben.

Jedes Jahr werden die Einsitzer komplett neu gebaut. Dies schreibt das Reglement vor. Auch wenn manche Teile beibehalten oder perfektioniert werden können, so sind das Skelett des Autos und sein Fahrgestell neu. Bevor die Boliden auf Rennstrecken fahren, werden sie von Experten geprüft und zugelassen. Es steht ausser Zweifel, dass VRT und seine rund 40 Mitglieder ihre Aufgabe gut meistern werden, wie schon bei den beiden vorherigen Ausgaben von Formula Student. Es braucht auch diesmal eine Glanzleistung, um gegen erfahrenere und grössere Teams mit grösseren Budgets zu bestehen. Es ist wie bei David gegen Goliath. «Top-Teams sind zu uns gekommen, um uns zur geleisteten Arbeit zu gratulieren. Das ist sehr erfreulich. Wir können stolz auf diese drei Jahre sein», sagt Aurore Mauris.