Was lange Zeit als Tabu galt, wurde schliesslich Realität, in der sich die Schweiz seit 2015 befindet. Mit einer an Europa gebundenen Wirtschaft und einem starken Schweizer Franken könnte diese Situation noch lange andauern.
Der Zinsmechanismus
Der Zinssatz ist eine Variable, die Sparer und Kreditnehmer zusammen- und näher bringt. Der Sparer legt sein Geld gegen eine bestimmte Vergütung, den Zinssatz, an. Der Kreditnehmer erhält eine Geldsumme gegen Zahlung eines Zinses. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist die Wächterin der Zinsen. Sie entscheidet über die Höhe des Leitzinses anhand von Kriterien wie Wirtschaftsstabilität und Inflationsniveau. Läuft die Wirtschaft derart auf Hochtouren, dass sie zu überhitzen droht, erhöht die SNB oftmals die Leitzinsen. Auf diese Weise wird die Kreditaufnahme zugunsten des Sparens erschwert und Kapital von der Realwirtschaft abgezogen, wodurch die Wirtschaftstätigkeit gebremst wird.
Wie ist es zu Negativzinsen gekommen?
Im Jahr 2015 änderte die SNB überraschend ihre Geldpolitik. Sie beschloss die Abschaffung des bis dahin verteidigten Mindestkurses von 1,20 Schweizer Franken für 1 Euro und senkte gleichzeitig den Leitzins auf -0,75%. Der Leitzins war zum ersten Mal negativ. Aber warum? Musste die Wirtschaft 2015 angekurbelt werden? Um die Geldpolitik der SNB zu verstehen, müssen wir weiter in die Vergangenheit zurückgehen. Im Jahr 2011 befand sich Europa in einer Vertrauenskrise. Griechenland brachte die Staatsfinanzen mehrerer Länder in Europa aus dem Lot. Diese Vertrauenskrise machte sich bei den Wechselkursen bemerkbar, wobei der Schweizer Franken als Fluchtwährung auf Kosten des Euro sehr gefragt war. Für europäische Unternehmen, die in der Schweiz einkaufen, wurden die Produkte immer teurer. Produkte von Schweizer Unternehmen verloren dadurch schnell an Attraktivität und europäische Kunden besorgen sich dieses anderswo. Aus Angst vor einem Schneeballeffekt und negativen Folgen für die Wirtschaft legte die SNB einen Mindestkurs von 1,20 zwischen Euro und Schweizer Franken fest und federte dadurch einen Teil der negativen Auswirkungen auf Industrie und Tourismus ab. Diese Strategie, im Zuge derer die SNB Schweizer Franken druckt, um Fremdwährungen zu kaufen, wurde von der SNB bis 2015 fortgesetzt. Um nicht mehr eine astronomische Menge an Schweizer Franken drucken zu müssen, gab sie den Mindestkurs schliesslich auf, senkte dafür aber den Leitzins von 0 % auf -0,75%. Der Negativzins dient der Absicht der SNB, den Schweizer Franken gegenüber dem Euro unattraktiv zu machen. Wer Schweizer Franken besitzt, muss ab einem gewissen Betrag eine Abgabe von 0,75 % pro Jahr zahlen.