Westschweizer BIP 2025

Offene Wirtschaft: Stärke und Achillesferse der Westschweiz

Offene Wirtschaft: Stärke und Achillesferse der Westschweiz

Die Westschweizer Wirtschaft spürt die Auswirkungen der neuen US-Handelspolitik. Nach einer für das laufende Jahr erwarteten Zunahme des Bruttoinlandprodukts (BIP) um 1,6% könnte das Wachstum im nächsten Jahr auf 0,9% zurückgehen. Dies geht aus einer heute veröffentlichten Studie zum Westschweizer BIP hervor, die von den sechs Westschweizer Kantonalbanken in Zusammenarbeit mit dem «Forum des 100» erstellt wurde. Die schwächeren Wachstumsaussichten sind auf die am 1. August angekündigten Zusatzzölle von 39% auf bestimmte, in die USA exportierte Schweizer Produkte zurückzuführen – sowie auch auf die Unsicherheit darüber, welche Produkte nun wirklich davon betroffen sind. So bleibt derzeit noch offen, ob die Steuerbefreiung für pharmazeutische Produkte beibehalten wird und ob die Zollverhandlungen mit den USA Früchte tragen werden.

22. Oktober 2025 – Die Öffnung der Schweizer und der Westschweizer Wirtschaft zu Beginn dieses Jahrhunderts war von Anfang an ein voller Erfolg. Darauf ging auch die letzte Studie zum Westschweizer BIP ein («Zwei ausgezeichnete Jahrzehnte für die Westschweiz»). Die Resilienz der vergangenen 20 Jahre ist den Produkten mit hoher Wertschöpfung und der robusten Binnennachfrage zu verdanken. Ein hoher Offenheitsgrad bringt allerdings auch Risiken in Form einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber ungünstigen weltwirtschaftlichen Entwicklungen und gegenüber den Auswirkungen protektionistischer Massnahmen mit sich. Das jüngste Beispiel ist die derzeitige US-Handelspolitik, die einen Wendepunkt für die globale Wirtschaft darstellt.

Auch die USA, die in den letzten Jahren als Motor des weltweiten Wachstums fungierten, dürften eine Eintrübung erfahren. Ein Ende der globalen Konjunkturschwäche ist noch nicht in Sicht, womit auch die Prognosen für die Schweiz und die Westschweiz nach unten korrigiert werden müssen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) geht für das Jahr 2025 von einem Wachstum von 1,3% aus. Die Binnennachfrage bleibt robust, während Lagerbestände in den USA und Kurzarbeit in einigen Branchen dazu beitragen, die unmittelbaren Auswirkungen der höheren US-Importzölle zumindest teilweise und vorübergehend abzufedern. Sollte die USA die Zölle jedoch auf ihrem aktuellen Niveau belassen, werden diese im Jahr 2026 voll auf die hiesige Wirtschaft durchschlagen: Das SECO erwartet im kommenden Jahr ein Wachstum von lediglich 0,9%. Positive Verhandlungsergebnisse mit Washington könnten die Aussichten jedoch verbessern.
 

Westschweizer Exportprodukte: Uhren, Kaffee und Medizintechnik

Die US-Zölle erschweren den Zugang zu einem Markt, der als wichtigstes Absatzland sowohl für die Schweiz als auch für die Westschweiz von zentraler Bedeutung ist. Im Jahr 2024 gingen 16,8% der Schweizer und 19,4% der Westschweizer Exporte in die USA (Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit). Unter Berücksichtigung der momentan geltenden Steuerbefreiungen für pharmazeutische Produkte und Goldbarren liegt der durchschnittliche Zollsatz für Schweizer Produkte in den USA bei schätzungsweise 19,3%. Darin kommt zum Ausdruck, welch grossen Anteil die Pharmaprodukte (37,8%) und die Edelmetalle (26,3%) an den Schweizer Exporten ausmachen.

Für Westschweizer Exportprodukte ist der durchschnittliche Zollsatz mit 24,6% höher als im landesweiten Mittel. Dies liegt daran, dass die pharmazeutischen Produkte einen weniger grossen Anteil an den Gesamtexporten stellen (20,0%), während der Anteil der Uhren (26,2%) grösser ist als im nationalen Durchschnitt (6,7%). Ein im Vergleich zur übrigen Schweiz höheres Gewicht haben u. a. auch die Medizintechnik (3,6% der Westschweizer Exporte gegenüber 2,9% auf nationaler Ebene) und die Kaffee- und Teeprodukte (3,1% gegenüber 0,8%).


Unterschiede zwischen den Kantonen

Die Auswirkungen der Zölle sind von Kanton zu Kanton unterschiedlich. In den Kantonen Jura (34,0%), Waadt (32,0%), Freiburg (31,1%) und in einem geringeren Mass auch im Kanton Genf (26,2%) liegen die durchschnittlichen Zollsätze für Exportprodukte über dem gesamtschweizerischen Mittel. Im Gegensatz dazu profitieren das Wallis und Neuenburg von einem hohen Anteil pharmazeutischer Produkte in ihrem Exportmix. Dies führt dazu, dass die durchschnittlichen Zollsätze im Wallis (22,7%) nur leicht über dem Schweizer Durchschnitt liegen und in Neuenburg (17,7%) sogar darunter.

Die Bedeutung des Aussenhandels und die Auswirkungen des Handelsstreits mit den USA sind nicht in allen Kantonen gleich gross. So ist die Exportquote, also der Anteil des Werts der Warenexporte am BIP, in den Kantonen Jura und Neuenburg ausserordentlich hoch (78,1% respektive 118,2%). Im Kanton Genf (48,2%) liegt sie nahe am gesamtschweizerischen Durchschnitt (46,6%), während sie in den Kantonen Freiburg (24,1%), Wallis (21,5%) und Waadt (22,6%) deutlich niedriger ist.
 

Weitere Absatzmärkte: Die Eurozone an der Spitze

Die Welt besteht jedoch nicht nur aus den USA. Zwar sind die Vereinigten Staaten nach Ländern gesehen das wichtigste Exportziel der Schweiz und der Westschweiz. Erfolgt die Betrachtung jedoch nach Wirtschaftsregionen, so steht die Eurozone an erster Stelle: 37,4% der Schweizer und 31,1% der Westschweizer Exporte gingen 2024 in die Länder der Eurozone. Länder wie Deutschland (11,4% bzw. 7,4%), Italien (6,2% bzw. 4,8%) und Frankreich (4,7% bzw. 10,8%) bleiben wichtige Handelspartner.

Ausserhalb der Eurozone und der EU gehört das Vereinigte Königreich weiterhin zu den zehn wichtigsten Märkten für Schweizer und Westschweizer Unternehmen (5,0% bzw. 6,8%). Asien (ohne Mittleren Osten) ist ebenfalls ein bedeutender Zielmarkt (26,6% bzw. 28,0%) und sogar noch wichtiger als die USA. Die Vereinigten Staaten sind seit Langem ein zentraler Markt für Schweizer und Westschweizer Exporteure, doch in den letzten Jahren hat ihre Bedeutung angesichts der schwächelnden Konjunktur in Europa und China weiter zugenommen. Von dieser Entwicklung haben die meisten Kategorien von Fertigerzeugnissen profitiert; den grössten Beitrag zum Wachstum haben dabei die Pharmaprodukte geleistet.
 

Wichtige Wirtschaftskennzahl

Das BIP ist die Kennzahl, die am häufigsten zur Messung der Wirtschaftsleistung eines Landes oder einer Region herangezogen wird. Anhand dieses wichtigen Indikators ist es möglich, die Entwicklung im Zeitverlauf zu analysieren und Vergleiche zwischen den Regionen anzustellen. Mit der Publikation von BIP-Prognosen erhalten die Entscheidungsträger von Privatwirtschaft und Politik zudem ein wertvolles Instrument für die Entscheidungsfindung und Projektdurchführung.

In Zusammenarbeit mit dem «Forum des 100» der Tageszeitung Le Temps publizieren die Kantonalbanken der sechs Westschweizer Kantone seit 2008 alljährlich eine Schätzung des 
Westschweizer BIP anhand von Daten aus den Vorjahren (im vorliegenden Fall von 1997 bis 2024) und Prognosen für das laufende und das kommende Jahr. Die Berechnungen werden 
von Quantitas, dem Institut für Wirtschaftsanalyse und -prognose der Fachhochschule Westschweiz HES-SO, gemäss einer systematischen und transparenten Methode vorgenommen. Die Ergebnisse werden auch am 21. «Forum des 100» am 23. Oktober 2025 in Lausanne präsentiert.